Stellungnahme festbeträge _cipralex_

Stellungnahme des DBSH NRW zum Thema Festbetrag
für das Medikament Cipralex


Depressive Erkrankungen sind als neue Volkskrankheit in aller Munde. Einige
Krankenkassen beklagen den Anstieg von Fehlzeiten, die auf psychische
Erkrankungen zurückzuführen sind. Gleichzeitig verzeichnet die Techniker
Krankenkasse (TK) in ihrem Gesundheitsreport 2010 eine Steigerung des
Medikamentenkonsums1. So hat die Einnahme von Antidepressiva in den letzten
Jahren bei Frauen um das Doppelte und bei Männern um 120 Prozent zugenommen.
Die Absicht der Krankenkassen ist bekannt: Sie wollen und sollen Einsparungen
vornehmen. Die gesetzliche Grundlage dafür bildet § 35 SGB V. Aus diesem Grund
hat der Spitzenverband der deutschen Krankenkassen Festbeträge für bestimmte
Medikamente beschlossen. Der Festbetrag eines Arzneimittels ist der Höchstbetrag,
den die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen. Liegt der Verkaufspreis darüber,
können die Versicherten in der Regel wählen, ob sie den Differenzbetrag selbst
tragen oder ob ihnen ein therapeutisch gleichwertiges Arzneimittel ohne Aufzahlung
verordnet werden soll. Diese Regelung gilt ab seit dem 01. Juli 2011 auch für
Cipralex; ein Medikament, das dank seiner Wirkung einen guten Ruf als
Antidepressivum genießt. Es enthält den Wirkstoff Escitalopram, der zur Gruppe der
selektiven Serotonin - Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) zählt.
Bei einer Dosierung von 20 mg Escitalopram am Tag zahlt ein Patient monatlich
zwischen 90 und 140 Euro. Das gilt auch, wenn der Versicherte von der
Zuzahlungspflicht befreit ist. Da ein Antidepressivum regelmäßig über einen längeren
Zeitraum eingenommen werden muss, damit es wirkt, kommen dauerhaft hohe
Kosten auf die Patienten zu. Viel Geld, wenn man bedenkt, dass diese Regelung
auch arbeitssuchende oder erwerbsunfähige Menschen betrifft. Es trifft diejenigen,
die per se unter vielfältigen Einschränkungen leiden. Cipralex könnte manchem
Menschen bei der Rückkehr ins Arbeitsleben helfen. Am Besten gelingt das mit einer
Kombination von Pharmako - und Psychotherapie.
Im Vergleich mit dem günstigeren Wirkstoff Citalopram wirkt Escitalopram schneller
und stärker. Zudem hat es eine bessere Verträglichkeit und eignet sich eher für die
Langzeittherapie. Obwohl vom Cipralex - Hersteller Lundbeck in Auftrag gegebene
Studien international anerkannten Bewertungsmaßstäben genügen2, werden sie
nicht anerkannt. Eine Umstellung auf das günstigere Citalopram kann zu häufigeren
Klinikaufenthalten führen. Das hätte Mehrkosten für das Gesundheitssystem zur
Folge und schadet dem Genesungsprozess der Patienten. Diese müssen Rückfälle
in depressive Episoden hinnehmen. Nicht selten entsteht ein neuer stationärer
Behandlungsbedarf3, der die Desintegration im eigenen Lebensumfeld verstärkt.
Zusätzliche Konflikte mit Arbeitgebern und Angehörigen entstehen, die ebenfalls
durch häufige Krankheitszeiten belastet sind.
Die Krankenkassen sind gut über ihre Versicherten informiert, wie der
Gesundheitsbericht der Techniker Krankenkasse zeigt. Was sie nicht beachtet
haben, sind die Empfehlungen des Deutschen Ethikrates. Er fordert in seiner
Stellungnahme zu Kosten und Nutzen im Gesundheitswesen eine Nutzenbewertung,
1 http://www.tk.de/centaurus/servlet/contentblob/222138/Datei/47729/Gesundheitsreport-2010.pdf, S. 127 ff. Stand: 10.09.2011. 2 http://www.krankenpflege-journal.com/arzneimittel/4187-g-ba-gruppiert-cipralexr-in-einen-festbetrag.html Stand: 21.09.2011. 3 http://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/pharmazie/news/2011/06/14/lundbeck-klagt-gegen-g-ba.html, Stand 21.09.2011. Stellungnahme des DBSH NRW zum Thema Festbetrag
für das Medikament Cipralex

die unabhängig von Kostenerwägungen erfolgt. Das gilt insbesondere, wenn die
Lebensqualität der Patienten vermindert wird4.
Mit der Einführung der Festbeträge für teure, aber wirksame Medikamente handeln
die Krankenkassen kurzsichtig. Weder ihnen noch den Patienten ist mit einer
Medikamentenumstellung langfristig geholfen, wenn das die Behandlungskosten
erhöht. Nicht zuletzt erschweren oder behindern solche Praktiken die (Re –)
Integration oder (Re - ) Inklusion betroffener Klienten und grenzen sie aus. Wir als
Landesvorstand NRW im DBSH sehen in dieser Ungleichbehandlung eine soziale
Ungerechtigkeit, die wir ablehnen. Eine solche ungerechte Verteilung von Mitteln
schadet den betroffenen Klienten, da sie ihnen die Teilhabe am Leben in der
Gemeinschaft erschwert oder gar unmöglich macht5. Die Erhebung von Festbeträgen
auf Medikamente erlaubt es den besser gestellten Patienten, die Vorzüge des
Wirkstoffes zu genießen, während unter prekären Verhältnissen lebende Klienten
diese Vorteile versagt bleiben, da sie sich den hohen Preis schlichtweg nicht leisten
können. Wir fordern daher die Abschaffung dieser unsozialen Praxis, um allen
Patienten einen Zugang zu Cipralex zu ermöglichen.
4 http://www.ethikrat.org/dateien/pdf/stellungnahme-nutzen-und-kosten-im-gesundheitswesen.pdf, S. 96. Stand: 10.09.2011. 5 http://www.dbsh.de/grundlagenheft_-PDF-klein.pdf, S.7. Stand: 10.09.2011.

Source: http://www.dbsh-nrw.de/fileadmin/webseite/pdf/Publikationen/Stellungnahme_Festbetraege__Cipralex_Rev.1.1.pdf

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