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Wenn man zunehmend in die primäre Sozialisation eingreift, ihrer “Selbstregulierung” imRahmen alltäglicher lebender Systeme misstraut, sie faktisch zur Erziehungssituation umbaut,dann kommt es schnell zu einer Überlastung (Süddeutsche Zeitung 13.12.2008 WERNER BARTENS) Jetzt mal ganz ruhig - Das Zappelphilipp-Syndrom bleibt umstritten - zu oft vermuten
überforderte Eltern und Ärzte eine krankhafte Hyperaktivität
Wer weiß, ob jemand wie Sven Ottke heute Boxweltmeister werden könnte. Ein Talent wie der ehemaligeChampion im Mittelgewicht würde womöglich als Jugendlicher mit Medikamenten in seinem Bewegungs-drang gebremst. "In der Schule habe ich oft Mist gebaut und mich gehauen, aber auch auf dem Sportplatz,auf dem Fußballplatz - eigentlich überall", sagte Ottke 2002 dem SZ-Magazin. "Ich hatte einfach zu vielEnergie. Hyperaktiv nennt man das heute." Impulsive Reaktionen sind selten gefragt. Zumeist ist bedachteProblemlösung erwünscht. Nur Sportler, Showmaster oder sogenannte Kreative haben Vorteile, wenn siesprunghaft und hyperaktiv sind.
Es gibt kaum eine Erkrankung, die in und außerhalb der Fachwelt so umstritten ist wie ADHS - die Abkürzung steht für Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivität. In jüngster Zeit hat ein Streit um Todesfäl-le durch das Medikament Strattera (Atomoxetin) das Leiden erneut in den Blickpunkt gerückt. Dochunabhängig davon, ob in Deutschland vier Kinder an den Folgen der Therapie mit Strattera gestorben sind,wie ein Fernsehsender behauptet, oder ein Kind, wie das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinproduktebelegt, ist kaum eine Krankheit so geeignet, Vorurteile und Weltbilder zu pflegen. Gesellschaftskritik,Medienschelte, Vorwürfe gegen die Pharmaindustrie und Unbehagen am Erziehungsstil mancher Elternvermischen sich in der Bewertung des Leidens.
"ADHS ist eine argumentative Missbrauchsplattform", sagt Florian Heinen, Leiter der Kinderneurologie am Haunerschen Kinderspital der Universität München. "Jeder instrumentalisiert das Leiden für seineInteressen." Lehrer, Ärzte und Psychologen fordern mehr Stellen, Eltern mehr Entlastung, Pharmafirmenwollen mehr Medikamente verkaufen. "Dabei waren immer schon bis zu fünf Prozent der Kinder hyper-aktiv", so Heinen. "Weil sich die Kinder aber in einem immer engeren Leistungskorridor bewegen, werdenauch viele von ihnen behandelt, die nicht krank sind, sondern sich nur besonders verhalten." Aus diesem Grund ist die medikamentöse Therapie in den vergangenen Jahren sprunghaft gestiegen - Pillen für den Zappelphilipp. 1990 wurden 300 000 Tagesdosen des ADHS-Mittels Ritalin deutschlandweitverschrieben. Das Medikament hat mit 90 Prozent den größten Anteil an der Arzneimittel-Therapie desLeidens. Im Jahr 2007 waren es 45 Millionen tägliche Dosierungen - eine 150-fache Steigerung. Von 500000 ADHS-Diagnosen ist in Deutschland die Rede. "Etwa die Hälfte dieser Diagnosen ist wohl nicht belegt",sagt Arzneimittelexperte Gerd Glaeske von der Universität Bremen.
Nach Studien des Robert-Koch-Instituts leiden 4,8 Prozent aller Kinder an ADHS. Bei ähnlich vielen liegt ein Verdacht vor. Das würde bedeuten, dass ein bis zwei Kinder in jeder Klasse an dem Zappelphi-lipp-Syndrom leiden. Am häufigsten sind die Beschwerden im Grundschulalter, jener Zeit, in der erstmalsstärkere Leistungsanforderungen an Kinder gestellt werden. Auch Jugendliche sind vom ADHS betroffen,Jungen etwa viermal häufiger als Mädchen.
Auch wenn ein Kind ADHS hat, heißt das noch nicht, dass es immer Medikamente braucht. Franz Joseph Freisleder ist Ärztlicher Direktor der größten Kinder- und Jugendpsychiatrie Deutschlands, denHeckscher-Kliniken in München. Etwa die Hälfte der mit ADHS diagnostizierten Kinder könnten vonMedikamenten profitieren, schätzt er. "Ich bin zurückhaltend mit Medikamenten, aber in manchen Fällensind sie hilfreich", sagt der Arzt. "Wenn ich Psychopharmaka verordne, muss ich die Kinder aber besonderssorgfältig im Blick haben und auf psychische Auswirkungen achten." Kein vernünftiger Arzt setzt nur auf Medikamente. Empfohlen wird mindestens ein therapeutischer Dreischritt. "Es bringt nichts, nur den Ritalin-Spender aufzuhängen", sagt Kinderarzt Heinen. Festepädagogische Strukturen im Alltag - regelmäßige gemeinsame Mahlzeiten, klare Ansprachen - gehörengenauso zur Behandlung wie psychotherapeutische Verfahren und in einigen Fällen eben auch Medikamente.
Vorverurteilungen von Eltern, die ihren Kindern Ritalin geben, helfen nicht weiter. "Diese Diskriminie- rung ist ärgerlich", sagt Heinen. "Es gibt Fälle, in denen Kinder sich viel bewegen, liebevoll in der Familieaufgehoben sind, kaum vor Fernseher und Computer hocken und trotzdem nur mit Hilfe von Medikamentenihren Alltag geregelt kriegen." Manchmal kommt die Diagnose ADHS aber auch eher den Bedürfnissen der Eltern, Psychologen, Ärzte und Erzieher entgegen und nicht den Kindern. Wenn endlich eine medizinische Erklärung für auffälligesVerhalten gefunden wird, und sich alle darauf geeinigt haben, dass das Kind krank ist, sind andere Beteiligteentlastet. Familiäre oder schulische Konflikte bleiben dann unbenannt. Und Ärzte müssen nicht mühsam dassoziale Geflecht entwirren, in das ein Kind möglicherweise verstrickt ist. "Manchmal haben Eltern einevorgefasste Meinung und man spürt, dass sie nur ein Rezept erwarten", sagt Freisleder.
Es gibt Hinweise auf psychosoziale Ursachen des Leidens. Stress verschlimmert die Beschwerden. Bei Kindern aus Unterschichtfamilien und von Alleinerziehenden wird häufiger ADHS diagnostiziert. InMigrantenfamilien ist das Leiden hingegen seltener. "Womöglich besteht hier mehr Toleranz gegenüber wildtobenden Kindern", sagt Gerd Glaeske. "Da das Problem aber nicht nur medizinische, sondern auchgesellschaftliche und schichtenspezifische Wurzeln hat, ist es umso problematischer, gleich und allein zumMedikament zu greifen." Wo sollen denn die Kinder hin, die nicht dem derzeitigen Anforderungsprofil genügen, fragt Entwick- lungsexperte Heinen: "Die Umwelt ist nicht kinderfreundlich, die Zeittaktung der Eltern wird immer engerund der pädagogische Spielraum in Zeiten von Pisa immer kleiner." Kindern mehr Zeit, mehr Sport, mehrLehrer und mehr Zuwendung zu gönnen, dafür gebe es keine Ressourcen. "Die Pharmaindustrie kümmertsich auf ihre Weise um eine Lösung - und das wird als Weg des geringsten Widerstandes von vielen Seitenangenommen." Dass Pharmafirmen dazu Selbsthilfegruppen und Ärzte finanzieren und anwerben (Branchen-spott: "Mietmäuler") ist ein ebenso hartnäckiges wie altes Problem auf dem Arzneimittelmarkt.
Das Syndrom ist mittlerweile sogar so populär, dass es vermehrt Erwachsenen zugeschrieben wird. Bill Clinton soll davon betroffen gewesen sein. Betrachtet man die Diagnosekriterien ("unterbricht andere","kann nur schwer warten, bis er an der Reihe ist", "ist bei Alltagstätigkeiten häufig vergesslich"), fragt mansich jedoch, wer nicht dafür in Frage kommt.
Die Konjunktur von ADHS erinnert an andere Krankheitswellen, die medizinische Grundlagen hatten, aber eben auch gut in den Zeitgeist passten. Die Hysterie entwickelte sich Ende des 19. Jahrhunderts zueiner Epidemie unter Frauen. Die Betroffenen weckten mit obszönen Körperverrenkungen sexuelle Assozia-tionen. Die Hysterie wurde daraufhin einseitig als Krankheit der Gebärmutter gedeutet. Dadurch bliebentiefere psychische Ursachen lange im Verborgenen, aber die Erkrankung wurde anerkannt. Im ErstenWeltkrieg entwickelten manche traumatisierte Soldaten ein starkes Zittern. Weil diese Beschwerden wedervon Ärzten noch Laien akzeptiert wurden, wurden die Leidenden als Simulanten abgetan. Anders verhielt essich bei traumatisierten Soldaten im Zweiten Weltkrieg. Sie bekamen Magengeschwüre, ihre Beschwerdenwurden anerkannt - in manchen Berichten war sogar von "Ulkus-Kompanien" die Rede.
Und heute? Viele Eltern sind um ihren Nachwuchs besonders besorgt. Die späte Entscheidung für ein Kind, das in die Familien- und Berufsplanung passen muss, lässt oft eine enorme Anspruchshaltungentstehen. Viele Eltern haben Angst, die Fähigkeiten der Kinder nicht genügend zu fördern. Das hat Folgen:Klassische Musik für Babys im Mutterleib. Kaum ein Säugling, der auf seiner Krabbeldecke mit sich alleingelassen wird. Gestelle mit Rasseln und Figuren über ihm sollen die Sinne schärfen. Eltern, die ihr Kind mitbewusst gesetzten Reizen "gezielt gefördert" haben, klagen später oft über die Reizüberflutung durch dieGesellschaft - besonders die Medien.
Mittlerweile gibt es Hinweise auf körperliche Anomalien bei Kindern mit ADHS - aber keine Beweise für eine Ursache. Bei manchen Kindern wurde eine Störung der Impulskontrolle, das heißt der Steuerungvon Bewegungen, festgestellt. Hirnregionen können bei ADHS-Kindern anders gestaltet sein, Unterschiedein den elektrischen Hirnströmen wurden festgestellt, die Durchblutung mancher Hirnareale ist verändert -ebenso wie die Konzentration des Überträgerstoffs Dopamin. "Biologie, Genetik, Umwelt, alles spielt eineRolle", sagt Heinen. "Die Frage, was Henne und was Ei ist, bleibt aber vorerst ungeklärt." Die Diagnose richtet sich daher hauptsächlich nach dem Verhalten der Kinder - ob sie "häufig Ein- zelheiten nicht beachten", "häufig nicht zuhören" oder "sich oft durch äußere Reize ablenken" lassen. DieBewertung ist damit von der Sorgfalt der Untersucher abhängig. Hier gibt es Verbesserungsbedarf, denn derGroßteil der Verordnungen stammt nicht von geschulten Kinderpsychiatern, sondern von Haus- undKinderärzten - manchmal sogar von Zahnärzten.
"Viele Kinder mit der Diagnose haben kein Aufmerksamkeitsdefizit - ihre Aufmerksamkeit ist nur nicht da, wo Eltern oder Lehrer sie gerne hätten", sagte ein Arzt für Familientherapie in einem Vortrag. Er bekamAnrufe empörter Eltern. Sie entrüsteten sich darüber, dass ihren Kindern die Diagnose streitig gemachtwurde.

Source: http://www.hf.uni-koeln.biz/data/eso22/File/7085_ws0809/txt2_3_mehr_sozialisation.pdf

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