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Queens, N.Y. 1995: Anthony, 23 Jahre alt, hat mehr Pro-bleme als sein fragiles Lebenskonzept vertragen kann. OhneCollegeabschluss, dafür mit 150 Kilo unterm feinen hell-lilaAnzug, Gelegenheitsjobs in der Hausputzbranche und einemexzentrischen Hang zu Horrorfilmen, findet er vorüberge-hend wieder Unterschlupf bei seiner nicht minder schrägenafrika-stämmigen Familie. Während Anthony für alle einRiesen-Frühstück brät, verstecken sich die zum Jähzornneigende Großmutter und Mama, vom Schlankheitswahnbefallen und immer auf Haldol, sowie die geliebte kleineSchwester, die sich gern als Miss Unschuld bewirbt. Sie ha-ben Angst vor ihm. – Am Ende, nach einer Endloskette aber-witziger Ereignisse, zieht Anthony wieder aus und hat seineLektion gelernt. Und der Leser, vom Ich-Erzähler wohltuendironisch auf Distanz gehalten und zugleich voller Sympathiefür ihn, staunt. »Prosa komplett von der Rolle.« (i.s. in ›DerStandard‹) Victor D. LaValle wurde 1972 geboren, wuchs auf in Queens,N.Y., – nicht die beste Adresse – und ist schwarz. Er studiertean der Cornell und der Columbia University. Bereits seinErzählungsband ›Slapboxing with Jesus‹ machte amerikani-sche Leser mit der Titelfigur dieses ersten Romans bekannt:eine Figur bigger than life, was Charakter, Neurose und Kör-perfülle angeht.
Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, erschienen bei Crown Publishers, New York Druck und Bindung: Druckerei C.H. Beck, Nördlingen Gedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany · ISBN 978-3-423-13650-1 FÜR VIRGINIA SMITH,
eine großartige Schriftstellerin und Redakteurin und ein großartiges menschliches Wesen.
Wer hätte gedacht, daß jemand alles auf einmal sein kann? Tief unter allem höre ich Panflöten blasen und einen Pferdefuß die Stunden schlagen.
2 Miß Unschuld
1
In einem grünen Leihwagen fuhren sie quer
durch New York State, um mich als wilden Mann in meinerWohnung aufzuspüren. Hatte eine Brille mit gesplittertenGläsern auf der Nase, und auf meinem Kopf türmten sichdie Haare als gigantischer Afroblumenkohl. Ich wog drei-hundertundfünfzehn Pfund. Mein Zustand war chaotisch,aber das Haus war blitzsauber. Sie klopften an, und als ichdie Tür öffnete, standen drei Erzengel auf der Schwelle.
Meine Schwester rieb mir das Ohr, als ich weinte. Sie flü-sterte: – Zieh dir doch erst mal deine Klamotten an.
Meine Familie brachte mich nach Hause, nach Queens, und verfrachtete mich da in den Keller. Wenn ich allein nach draußen wollte, redeten sie mir das aus. Wenn wir zumSupermarkt gingen, führte mich meine Schwester an derHand. Beim Essen schnitt Mama für mich das Fleisch klein.
Sie behandelten mich, als wäre ich das, was manche Leuteimmer noch als mongoloid bezeichnen. Ein paar Tage langempfindet man das durchaus als Zärtlichkeit, aber nach zweiWochen wird’s eher zur Strafe. Das Gespenst des Vorwurfslauerte in jeder Ecke.
Ihre Fürsorge war wunderbar, aber ihre herablassende Art war tödlich – und überraschend. Bevor ich sie in meineWohnung gelassen hatte, hatte ich wirklich gedacht, daßmein Leben schon Würze zur Genüge hatte.
Drei Wochen nach meiner Rückkehr nach Rosedale kochte ich meiner Familie ein großes, rotes Frühstück, nurum zu beweisen, daß ich dazu noch in der Lage war. Nichtnur ihnen, sondern auch mir selbst. Das war am 25. Septem-ber 1995. An bestimmte Daten erinnere ich mich, um meine Katastrophe in den Griff zu bekommen und zu verstehen.
Ohne solche Daten ist mein Gehirn ein Massengrab.
Es war ein rotes Frühstück, weil ich Ketchup zu den Eiern gab, als ich sie rührte. Und auch zum Speck, während er sichin der Pfanne kringelte. Nennt mich geschmacklos, aber Ket-chup ist nun mal das einzige Gewürz, das ich brauche.
Ich war derart nervös, daß ich mich an jenem Morgen so- gar richtig schick anzog. Den hell-lila Anzug, der locker saßund meine Titten verbarg. Ich sah darin aus wie ein Zwei-hundertfünfzig-Pfund-Mann.
Unser Herd war so heiß, daß ich aufpassen mußte, nicht ins Essen zu schwitzen. Ich wischte mir die Stirn mit demSchlips ab, nahm Butter aus dem Kühlschrank, stellte sie ne-ben einen Teller mit Toast, und wenn nicht einmal das sieglücklich machen würde, dann wußte ich auch nicht mehrweiter.
Aber sie erschienen gar nicht. Ich wartete sehr lange auf Obwohl ich ihre Betten quietschen hörte und dann Schritte auf dem Fußboden, ließen sie sich nicht blicken. Eswar, als hätten sie sich in Luft aufgelöst. Ich stocherte imSpeck herum, aber ohne Begeisterung. Er brutzelte nochnicht richtig. In der Hoffnung, cool auszusehen, schob ichdie linke Hand in die Hosentasche. Um meine Nervosität zuüberspielen, zählte ich Schäfchen.
Ich stellte die Gasflammen kleiner. Ich wusch Geschirr ab, das noch von gestern abend in der Spüle stand, undstellte es in die Hängeschränke. Sonnenlicht begrüßte dieFenster.
Die schlimmste aller Ängste ist das Gefühl, verlassen worden zu sein. Schließlich mußte ich einfach wissen, wosie steckten. Die weißen Linoleumfliesen tickten gegen dieSohlen meiner schicken Schuhe.
Im Flur war ich ganz leise. Da es hier keine Fenster gab, war es dunkel, und die Decke schien besonders hoch zu sein.
Das Tappen meiner Hände an der Wand war wie das Echoaus einer hohlen Bombe. Sie hatten sich im Badezimmer ver-steckt. Mama lehnte am Waschbecken, während Oma aufdem Klo saß, und meine Schwester Nabisase hockte auf demBadewannenrand. Drei Versionen der gleichen Frau, Ver-gangenheit, Gegenwart und Zukunft, auf engstem Raumversammelt. Weil die Tür halb geschlossen war, blieb ichvon ihnen ungesehen und getrennt.
Mama flüsterte: – Wir sollten zu ihm gehen.
– Ja. Oma stimmte ihr zu, aber sie blieben, wo sie waren.
Meine Familie hatte Angst vor mir.
Eigentlich erwartete ich mehr Zuneigung von ihnen, weil ich keineswegs der erste in meiner Sippschaft war, dessenSchrauben locker saßen. Ihr hättet mal meine Mutter sehensollen, wie sie 1983 nackt durch den Flushing Meadow Parkgerodelt war. Vier Polizisten verpackten sie in ihre Jackenund schleppten sie ins Krankenhaus. Eltern auf dem Rodel-hügel hielten Mama für eine bumsfidele Unholdin, die ihreKinder entführen wollte. Ihre Krankeit ließ sie oft sexuellausflippen. Wenn sie ihre Anfälle bekam, mutierte die Frauzu einer offenen Muschi, aber dank Haldol war Mamas Gei-steszustand nun schon seit Jahren stabil.
Und dann gab’s da ja auch noch meinen Onkel Isaac, der 1986 von New York bis zur kanadischen Grenze marschiertwar und sich mit einem Gewehr das Gehirn aus dem Schä-del gepustet hatte. Deshalb erfaßten Mama und Oma dieSituation sofort, als sie mich in der Wohnung in Ithaca auf-stöberten. Ihr Junge war ein Narwal geworden.
Ich stieß die Badezimmertür auf, um sie zu überraschen, aber statt zusammenzuzucken, seufzten sie nur.
– Guten Morgen, murmelte Oma.
– Ich hab Eier gemacht.
Nabisase lächelte. – Das ist sehr lieb von dir!Sie war verwirrt und wütend. Sie war dreizehn Jahre alt und somit nur eingeschränkt menschlich, wenn es um Mitge-fühl ging. Ich bin zwar ihr um zehn Jahre älterer Bruder, aberum mir damals in der ersten Woche die Haare zu schneiden,mußte Nabisase mich praktisch fesseln. Ich sagte nur immer,daß ich doch gut aussähe. Das kann doch kein Mensch aus-halten. Ihre milde Rache bestand aus Sarkasmus.
Mama und Oma waren da schon entschieden hilfreicher; für alles, was ich tat, erntete ich Lob. Hätte ich einen be-sonders kräftigen Furz losgelassen, hätten sie mir zur Beloh-nung eine Quietsche-Ente geschenkt.
Nabisase fragte: – Ist der Herd noch an?– Herd?– Das Ding, mit dem man kocht, erklärte Nabisase lang- – Kann sein, gab ich zu.
Sie stürmten an mir vorbei. Was red ich! Über mich hin- Mit ihren dreiundneunzig Jahren sprang sogar Oma über meine wabbeligen Schultern und raste in die Küche. WoMama sofort die Gasregler ausstellte, auf Punkt sechs Uhr.
– Ich hätt schon keinen Brand gelegt, sagte ich zu ihnen.
– Woher willst du das denn wissen? fragte Nabisase.
Neville Chamberlain glaubte, Hitler wäre schon zufrie- den gewesen, wenn man ihm nur ein Schnapsgläschen derTschechoslowakei eingeschenkt hätte. Meine Familie wußte,daß ich nicht geistig behindert war, aber allein die Vorstel-lung, noch einen paranoiden Schizophrenen in unserer Sippezu haben, ruinierte ihren gesunden Menschenverstand sogründlich, daß sie Worte wie Medikamente, Klinik oder Un- tersuchung nicht einmal in den Mund nahmen. Wieso auch?Sie wünschten sich so sehr, daß ich labil war, aber keinAmokläufer, und genau deshalb wurde ich einer. Sie faßtenmich mit Samthandschuhen an.
Omas Englisch war etwas schräg. Sie stammte aus Ost- afrika, genauer gesagt, aus Uganda. Meine Mutter war auchnoch dort geboren, aber Nabisase und ich waren schon ausQueens. Oma sagte: – Also, dann sollten wir uns mal hüb-sche Kleider anziehen.
– Zum Frühstück?Oma sagte: – Du trägst einen Anzug. Wir sollten uns Während sie sich umzogen, kochte ich das Essen fertig.
Ich setzte die Bratpfannen wieder aufs Feuer; der Geruchdes Schweinefleischs wärmte mir das Herz. Die Eier warengenau richtig; nicht trocken, sondern fest, und ich hatte soviel Fett in der Pfanne, daß die Eier gemütlich darin dümpel-ten wie Kinder in einem Planschbecken. An einer Schilddrü-senfehlfunktion lag es jedenfalls nicht, daß ich fett war.
Wir wohnten in Rosedale, am südöstlichen Rand von Queens, einem New Yorker Vorort, der erfüllt war vomBrummen der Autos, die aus den Einfahrten fuhren. Moto-rengeräusche bereiteten mir Freude.
Zuerst kam Oma in einem gelben Hauskleid und schwar- zen, flachen Schuhen zurück. Sie ging durch den Flur insWohnzimmer, setzte sich dann aufs Sofa der Sitzecke undwartete darauf, bedient zu werden. Auf der gegenüber-liegenden Straßenseite setzte ein Ehemann sein Wohnmobilrückwärts auf den Hof eines Hauses, in dem er mit seinerEhefrau lebte. Meine Familie gehörte zur Mittelschicht, unddas gefiel mir.
Aber dann fiel meine Schwester wie der Teufel in seinen besten, rosa Schuhen über meine Mutter her. Ein Blitzkrieg, Bombendetonationen und Geschrei. Mündungsfeuer hinterMamas Schlafzimmertür.
Meine Mutter raste durch den Flur, verfolgt von ihrer Tochter, die einen Fön schwang und Mamas Namen brüllte.
Nabisase hämmerte Mama den Fön auf den Hinterkopf, dieDüse zerbrach, und Plastikstückchen flogen durchs Zim-mer. Nabisase packte mit beiden Händen Mamas Haare undzerrte sie daran wie an Griffen mit dem Gesicht nach untenzu Boden.
Oma versuchte aufzustehen, aber das Sofa wankte zu heftig, weil Mama Nabisase so geschubst hatte, daß sie jetzthintenüber drauffiel. Meine Mutter hätte Nabisase womög-lich erwürgt, wenn meine Schwester ihr nicht die Haut vonden Händen gekratzt hätte.
Nabisase riß den Fernseher aus unserem grauen Unter- haltungsregal. Hätte der Fuß meiner Mutter den Fall nichtgedämpft, hätte es noch viel lauter gekracht. Vielleicht hattesie sich dabei einen Zeh gebrochen. Meine Schwester hättesich bestimmt darüber gefreut.
Meine Mutter hatte künstlerische Ambitionen – zum Bei- spiel Modedesign und Bildhauerei. Der einzige Beweis dafürstand in Form einer grauenhaften Statue oben auf dem Un-terhaltungsregal, eine kleine Büste, die Sidney Poitier ähn-lich sehen sollte, nur daß beide Ohren auf der gleichenKopfseite des armen Manns angebracht waren. Als der Fern-seher zu Boden krachte, geriet auch die kleine Büste insSchwanken und wäre heruntergefallen, wenn meine Muttersie nicht auf dem Fußboden in Sicherheit gebracht hätte. Ander Wand lehnte auch noch ein Besen, den Mama an sich rißund dann wie mit einem Schlagstock Nabisase zwei Hiebe indie Rippen verpaßte. Das ließ meine Schwester zu Bodengehen.
Und ausgerechnet ich sollte ein Problem haben? Oma schrie: – Anthony! Komm. Anthony! Bitte.
Als ich mich zwischen meine Schwester und meine Mut- ter warf, umkreisten sie mich. In der Hoffnung, meine Mut-ter zu treffen, schmiß meine Schwester Sofakissen über mei-nen Kopf, nicht um Mama zu verletzen, sondern um sie zuärgern, was ja eine prima Alternative war.
Mama schleuderte einen kleinen Bilderrahmen unter meinem ausgestreckten Arm hindurch, und er scheppertegegen eine Wand, daß die Farbe absplitterte. – Ich hol mirein neues Schloß für mein Schlafzimmer, verkündete Mama.
Ich hol’s mir noch heute.
In diesem Moment erhob Oma ihre Stimme. Die alte Dame kletterte aufs Sofa. – Ihr verrückten drei Schlampen!brüllte sie. Wegen euch krieg ich noch ’nen Herzinfarkt! Sie sackte zurück, fing sich aber wieder. Das gelbe Haus- kleid schlabberte zwischen ihren Schenkeln. Mit ihren spin-deldürren, alten Armen und Beinen sah sie aus wie einevibrierende Riesenspinne. Knirschte mit den Zähnen undschrie, und der gelbe Stoff waberte unter ihr wie ein schwan-kender Seidenfaden. Ein Schemen des Todes. Wir flohen vorAngst.
Es gab wirklich schlimmere Fälle als meinen. Mütter und Ich möchte nicht monomanisch erscheinen, aber da gab esimmer noch acht Eier, acht Scheiben Toast, sechs Butter-portionen, vier Gläser Orangensaft, zwei Tassen Tee, sechsFrühstückswürstchen und dreizehn Speckstreifen, die dar-auf warteten, verzehrt zu werden. Wie konnte man die bloßvergessen? Meine Mutter und Nabisase verließen die Küche, um sich anzuziehen, als ob sich dort nichts Eßbares befände. Soetwas könnte ich einfach nicht. Ich verstand nicht, wieso meine Mutter das konnte. Früher war sie so schwach wie ichgewesen, aber nun war ich der einzige, der dem Lockruf derSpeisekammer erlag. Es gibt Leute, die gern essen, und esgibt Leute, die nicht gern essen. Meine Mutter mochte sichverändert haben, aber ich war immer noch ein Mann, derKomplikationen nach einer guten Mahlzeit weniger kompli-ziert fand.
Ich nahm unsere größte Salatschüssel aus einem der Schränke über der Spüle und knallte die sechs Eier hinein.
Ich kippte noch eine halbe Tasse Ketchup und einen Teelöf-fel Salz dazu.
Mit einem Holzlöffel verquirlte ich Ketchup, Eier, Würst- chen, Salz und etwas Sirup. Bis sich eine rotgelbe, zehn Zen-timeter tiefe Pampe ergab, zäher als Harz. Mein Plan be-stand darin, dieses Gemisch zur Gärung zu bringen undmich dann in den Keller zu verziehen, wo ich es in allerRuhe auf meinem Bett verschlingen würde. Wann immerjemand der Meinung ist, mir erklären zu müssen, daß ichunter Eßstörungen leide, verweise ich auf all die hilfsberei-ten Klugscheißer, die Schlange stehen, um mich am Arschlecken zu dürfen.
Und ich hätte das Zeug auch nach unten geschafft, wäre ich des Specks zuliebe nicht noch einmal umgekehrt.
Auf dem Absatz der Kellertreppe fiel mir ein, daß die dreizehn Speckstreifen noch in einer Schüssel neben demPfefferstreuer lagen. Wenn ich sie mir nicht sofort unter denNagel risse, würde Mama sie vernichten, um ihren eigenenHeißhungerattacken einen Riegel vorzuschieben. Ich schoßin die Küche, griff mir den Speck, schmiß ihn in meine großeSchüssel und war drauf und dran, wohlgemut von dannenzu scharwenzeln, aber bevor ich mich von der Matte machenkonnte, wurde ich bereits von Mama und meiner Schwestereingerahmt.

Source: http://www.hoeren-undlesen.de/leseproben/378_1.pdf

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