In der Regel führt bei Früherkennung eine Therapie in den ersten 24 Stunden zu einer
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deutlichen Besserung des Krankheitsbildes, mindestens jedoch zu einem Stillstand der Progredienz der neurologischen Symptome. Gelegentlich werden in den ersten zwei bis
drei Tagen Verschlechterungen des Krankheitsbildes beobachtet. Eine Therapie sollte
jedoch dann fortgesetzt werden, wenn die Tiere appetent sind und Kot- und Harnabsatz funktionieren. Meist gibt es eine deutliche Erholung am dritten bis fünften Therapietag, so
Enzephalitozoonose beim Kaninchen
dass die meisten Patienten nach einer Woche vollständig wiederhergestellt sind.
(von Priv. Doz. Dr. med. vet. Birgit Drescher)
Sollte sich trotz der aufgezeigten Therapie das Krankheitsbild weiterhin drastisch
verschlechtern und insbesondere die enzephalitisbedingten Symptome zunehmen, ist die Prognose schlecht - jedoch nicht grundsätzlich infaust - und aus Tierschutzgründen eine
1. Einleitung
Das klinische Bild der Kopfschiefhaltung (Torticollis) beim Kaninchen - englisch ´head tilt`
5. Diskussion
oder ´screwneck disease` - wird gelegentlich bei Heimkaninchen in der Kleintiersprechstunde, bei Tieren in der Rassekaninchenzucht, in Versuchstierhaltungen
Kaninchen werden häufig - gelegentlich auch Meerschweinchen - mit einer für
sowie bei solchen in landwirtschaftlichen Produktionsbetrieben beobachtet.
Encephalitozoon cuniculi-Infektion entsprechenden Symptomatik in der Kleintier-sprechstunde vorgestel t. Aufgrund der derzeitigen Kenntnisse über Ätiologie und
Neuere Untersuchungen zeigen, dass ausser den Infektionen durch Pasteurella multocida
Pathogenese dieser Erkrankung wird die behandelnde Tierärztin/der behandelnde Tierarzt
in die Pflicht genommen, im Einzelfall der Problematik diagnostisch und therapeutisch
Krankheitsgeschehen zugrunde liegen (KUNSTYR et al., 1986; FEHR und MEYER-
nachzugehen. Differentialdiagnostisch sind Traumata sowie Listeriose, Borna-Infektion
BRECKWOLDT, 1997; EWRINGMANN und GÖBEL, 1998).
und Toxoplasmose abzuwägen (KUNSTYR et al., 1986).
Die zu den Mikrosporidien gehörende, weltweit verbreitete Protozoe Encephalitozoon
Die zunehmende Aufgeklärtheit der Tierhalter über artgerechte Tierhaltung bringt
cuniculi ist ein intrazellulär parasitierender Einzeller, der einkernige, ellipsoide Sporen von
heutzutage mit sich, dass Kaninchen und Nagetiere in zunehmendem Masse auch
2,5 x 1,5 µm Grösse bildet. Wird eine derartige Spore von Kaninchen oral aufgenommen,
Gartenbewohner sind, sei es ganzjährig oder auch nur in der warmen Jahreszeit. Diese
so stülpt sich im Darm der Polfaden aus und penetriert die Darmwand. Durch den hohlen
ansonsten sehr zu begrüssende Entwicklung birgt das Risiko, dass durch andere
Polfaden kriecht das einkernige Sporoplasma aus und gelangt so ins Innere von
Tierarten (Katze, Marder, etc.) sowie möglicherweise auch durch Wildkaninchen die
Wirtszel en. Nach einer Vermehrungsphase wird der Parasit hämatogen in nahezu alle
Protozoen unter den Heimkaninchen stärker verbreitet werden. Aber auch bei
Organe verteilt, wobei der Befal der Niere besonders ausgeprägt ist. Reife,
ausschliesslich im Haus gehaltenen Kaninchen wird die Enzephalitozoonose beobachtet.
infektionsfähige Sporen werden mit Urin und Kot ausgeschieden. Die Übertragung kann
Hier dürften wohl die Erreger über das Futter eingeschleppt werden.
somit oral, nasal, oronasal sowie auch transplazentar erfolgen. Neben Kaninchen können auch Mäuse, Ratten, Meerschweinchen, Hamster, Ziegen, Schafe, Schweine, Pferde,
Die Feststel ung, dass in Seren vieler untersuchter Kaninchenpopulationen in
Hunde, Füchse, Katzen und viele Primaten unter Einschluss des Menschen befallen
unterschiedlichem Grade positive Antikörpertiter aufzufinden waren, lässt schliessen, dass
möglicherweise dieser opportunistische Parasit weit verbreitet ist und im Zusammenhang mit anderen stressinduzierten Einflüssen eine akute Erkrankung bewirkt. Folglich sollte im
Die Infektion mit Enzephalitozoon ist folglich eine Zoonose. Der Erreger wurde erstmals
Falle einer diagnostizierten Infektion mit E. cuniculi auch das weitere Umfeld des
1922 aus dem Gehirn eines Kaninchens isoliert und beschrieben (LEVADITI et al., 1923)
Patienten betrachtet werden, d.h. auch andere Erkrankungen bis hin zu Haltungs- und
und als Ursache spontaner Paralysen bei Kaninchen erkannt. In den letzten zehn Jahren
Verhaltensproblemen sol ten hinterfragt werden. Eine Prophylaxe gibt es nicht.
hat Enzephalitozoon eine erhebliche Bedeutung gewonnen bedingt durch die
Enzephalitozoon als opportunistischer Parasit bewertet wird (SCHWARTZ et al., 1994).
2. Symptomatik 3. Diagnostik
Beim Kaninchen können drei Stadien der Erkrankung unterschieden werden:
Die Diagnostik einer Infektion mit Encephalitozoon cuniculi geschieht in drei Schritten, und
zwar wird der Verdacht in erster Linie aufgrund des klinischen Bildes erhoben. In zweiter
Mithilfe eines Tuschetests können gegen Enzephalitozoon gerichtete Antikörper im Serum
Linie kann der Verdacht durch eine allgemeine labordiagnostische Untersuchung erhärtet
von Kaninchen nachgewiesen werden. Sowohl bei klinisch gesunden Heimtieren (FEHR
bzw. abgeschwächt werden. Dabei sollten folgende Blutparameter ausgewertet werden:
und MEYER-BRECKWOLDT, 1997; EWRINGMANN und GÖBEL, 1998) als auch bei
Nierenwerte (Harnstoff, Kreatinin, Kalium), Blutbild (Leukozyten, Erythrozyten, Hamatokrit,
Versuchstieren (SCHARMANN et al., 1986) europäischen oder australischen
Hämoglobin) und Leberwerte (GOT). Sollten die Blutwerte deutliche Hinweise auf eine E.
Wildkaninchen (WILSON, 1979; CHALUPSKY et al., 1990; THOMAS et al., 1997) konnten
cuniculi-Infektion liefern, bietet sich eine spezifische Labordiagnostik im dritten Schritt an.
positive Antikörpertiter ermittelt werden, ohne dass bei den seropositiven Tieren klinische
Mittel der Wahl ist die Tusche-Immunreaktion: Der Test beruht darauf, dass die
Symptome zu beobachten waren. Die Antikörperprävalenz klinisch gesunder Tiere
Immunglobuline eines positiven Serums an die Kohlepartikelchen der Tusche absorbiert
unterliegt je nach Kaninchenpopulation sehr grossen Schwankungen und wird in der
werden. Die so markierten Antikörper haften an der Oberfläche der E. cuniculi-Sporen und
Literatur bis hin zu 100 % angegeben (KUNSTYR et al., 1986).
machen sie mikroskopisch sichtbar. Der Test kann auch zum Nachweis von Sporen im
Urin verwendet werden. Die Ausscheidung von Sporen über den Urin ist jedoch abhängig vom Befall der Nieren, so dass die serologische Untersuchung der sicherere Test ist.
Der akute Krankheitsverlauf ist gekennzeichnet durch einen plötzlich auftretenden Torticollis, häufig in Kombination mit einem Opisthotonus, bedingt durch Enzephalitis
4. Therapie
und/oder Meningitis, Nephritiden sowie Paresen oder Paralysen der Nachhand. In seltenen Fäl en können auch plötzliche Todesfälle auftreten. Das klinische Bild zeichnet
Die Therapie der E. cuniculi-Infektion besteht aus:
1. ZNS-Symptome wie Schreckhaftigkeit, Kopfschiefhaltung, Nystagmus,
(1) Antibiose: Oxytetrazyklin (20 mg/kg KM s.c./d über 14 Tage) (EWRINGMANN
anfallsweises Sichdrehen um die Körperlängsachse, Ataxien, Seitenlage,
Verzögerung bzw. Ausfall der Pupil arreflexe, Uveitis, ein- oder beidseitige
oder: Sulfonamid-Trimethoprim (20 mg/kg KM s.c./d über 14 Tage) (FEHR ,1997)
Nachhandlähme mit möglichem Übergang zur Tetraplegie.
oder: Albendazol (5 mg/kg KM 2 mal täglich oral über 14 Tage) - nach KOUDELA et al. (1994) und WEISS et al. (1994) - als veterinärmedizinisches AM (Valbazen
2. Polydipsie/Polyurie-Komplex infolge einer Niereninsuffizienz mit erhöhten
1,9%) zu niedrig dosiert, als humanmedizinisches AM (Eskazole 400 mg
Nierenwerten für Harnstoff (> 40 mg/dl), Kreatinin (> 2 mg/dl) und Kalium (> 21
Filmtabletten) zu hoch dosiert und zu teuer
oder: Chloramphenicol (30 mg/kg KM s.c.) überwindet die Bluthirnschranke.
3. Unspezifische bzw. Folgesymptome wie Inappetenz, Apathie, renale
Osteodystrophie und pathologische Frakturen sowie veränderte Blutwerte
2. Antiphlogistikum: Dexamethason (0,2 mg/kg KM s.c./d)
(Leukozytose, Hyponatriämie, erhöhtes GOT sowie erniedrigte Werte für
oder: Prednisolon (2 - 1 mg/kg KM s.c./d)
Hämoglobin, Erythrozyten und Hämatokrit).
3. Vitamin-B-Komplex (0,5 ml/kg KM s.c./d)
2.3. chronischer Krankheitsverlauf
Je nach Ausmass der akuten Krankheitsphase, den Nieren- bzw. den ZNS- Schäden
4. Infusionen (z.B. Sterofundin 40 ml/kg KM s.c./d)
bleiben die Kaninchen in der Regel chronisch infiziert, wenngleich bei frühzeitig und
intensiv durchgeführter Therapie eine klinische Heilung in 55 % der Fälle beschrieben
5. bei Uveitis zusätzlich lokal tetrazyklin- und kortisonhaltige Augensalben
wurde (EWRINGMANN und GOEBEL, 1998). Gelegentlich bleiben Bewegungsstörungen
der Nachhand oder von Vor- und Nachhand als Restschäden der akuten Infektion zurück,
6. Antiparasitikum Fenbendazol (Panacur Suspension 10% für Hunde; 0,2ml/kg
wobei die Tiere ansonsten wieder bei gutem Allgemeinbefinden, mit gutem Appetit und
Kaninchen 1 x täglich oral über 20 Tage).
normalem Verhalten auch anderen Tieren/Artgenossen gegenüber sind.
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